"... auch jene Bilder, die ich vor wenigen Tagen in der Kölner Wachfabrik sehen konnte, einem alternativen Ausstellungsort, der Gies einige Zeit als Atelier überlassen wurde. Die ca. 20 Leinwände etwa gleichen Formats (230 x 180 cm) waren alle mit einem roten Grund angelegt, einer kühlen Farbe, die Gies wie er zu meiner Verblüffung äußerte, aus verschiedenen Bildern Warhols übernommen hatte. Was ihn dabei faszinierte, waren die Härte und Präzision dieses spezifischen Zinnobertones, der der mechanischen Übertragung unterschiedlicher Images im Siebdruckverfahren entgegenkommt, jedoch der freien Arbeit mit Pinsel und Spachtel erhebliche Widerstände entgegensetzt oder sich zumindest für die malerische Aktion als einschränkende Bedingung erweist.

Es gibt Bilder, deren Wirkung aus dem Kontrast von Schwarz und Rot beziehungsweise von Figur und Grund resultiert, es gibt aber auch solche, die sehr viel differenzierter erscheinen, insofern vom Grundakkord einige sparsam eingesetzte Farben wie Grün und Blau und auch Weiß hinzutreten. Das führt zu außerordentlich komplexen Darstellungen, die das Intermittieren von Fläche und Raum, von chaotischer Verknäuelung und struktureller Beruhigung als faszinierendes Bildgeschehen erfahrbar machen, wobei sich der Facettenreichtum solcher Werke erst Zug um Zug erschließt. Das Sehen wird hier zur produktiven Arbeit.   

Als wichtigste Darstellung dieser bei meinem Besuch noch nicht abgeschlossenen Serie muß zweifellos ein aus drei gleichen Formaten komponiertes Triptychon gelten, in dessen Zentrum ein Zitat aus Dürers Kleine Passion den malerischen Kosmos zerbricht.        Armin Zweite

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Selbst die dunkelste Farbe leuchtet, wenn sie sich vom Schwarz abhebt, und mag im Ganzen das malerische Vorgehen hier ein dialektisches sein, Schwarz ebensowohl das Farbige zudecken bis auf unberührte Teile, Farbe andererseits sich ausbreiten aus der Schwärze heraus und über sie hin es ist denn doch Schwarz, an dem sich alles mißt, von dem alles seine spezifische Kraft zugeteilt erhält. Grund und Bedeckung, Raum und Körper tauschen sich aus, und es ist nicht von ungefähr, wenn die chromatische Strahlung aus dem Schwarz übergleißt wird vom reinen Weiß auch als gemalter Farbe. Dramatik durchaus, die im Dunkeln sich wälzenden Kräfte wie die von aller Werdung: erster Schöpfungstag, noch Chaos, schon Plan.

„Meerland“ […] leitet sich vom Erlebnis der Küste bei Finistère in der Bretagne her, einem dramatischen, wie es scheint: titanischer Zusammenprall von Welt und Gegenwelt an ihrer gemeinsamen Front. Bilder wie Entwürfe zu Wagner-Opern, drängender, finster sich erhebend, gleißend wie im Glissando von Tönen und Lichtern. Man sieht die Phantome aufstehen aus dem Schaum, man meint, die Brandung zu hören. Und ist doch alles Malerei, das Spiel von Farben. Das Bild, sagt Gies, sei ein Gegenüber, das Bedürfnisse und Erregungen weckt.“

Franz Joseph van der Grinten (aus Abstraktion·Kontemplation, Franz Joseph van der Grinten, Friedhelm Mennekes 1987)